Bautzen ist eine tausendjährige Stadt…
…so beschreibe ich als Antwort auf die Frage nach meiner Herkunft (unter anderem) meine Heimatstadt. Gefeiert wurden diese 1000 Jahre allerdings zweimal – im Abstand von 69 Jahren. Wie alt ist denn Bautzen nun wirklich und weshalb wurde zweimal gefeiert? Eine Spurensuche.
Bautzen feiert gern zweimal
In der Stadt Bautzen feiert man gern zweimal einen großen Geburtstag. Das erste Mal 1933, das zweite Mal 2002. Tausend Jahre alt zu werden ist ja schließlich nix für Jungspundstädte und besitzt eine schwindelerregende Höhe in der Tiefe der Geschichte. Aber welches Jahr feierte denn nun berechtigt?
Im Jahr 1002 wurde die Stadt Budissin (heute Bautzen) in einem Schriftstück erstmals erwähnt. Die Niederschrift ist allerdings nicht mit einer Gründungsurkunde der Stadt Bautzen zu verwechseln, sondern entstammt einer Chronik des Merseburger Bischofs Thietmar, der kriegerische Handlungen dieser Zeit dokumentierte. Wer bekriegte sich damals? König Heinrich II. und der Polenherzog Bolesław Chroby stritten um die Lausitz. 1013 wurde der Friede von Merseburg geschlossen und Bolesław erhielt die Lausitz und das Milzenerland als Reichslehen. Soweit dieser Teil der Geschichte.
Was aber ereignete sich 933, was eine Tausendjahrfeier rechtfertigte. Nun, soweit bekannt nichts Bedeutsames, allerdings setzte das vorherige Jahr 932 einen Schlussstrich unter die drei Jahre währende deutsche Ostexpansion König Heinrichs I. Mit den „Slawenzügen“ hatte er den Stamm der slawischen Milzener, die schon etwa seit Mitte des 9. Jahrhunderts in der Lausitz lebten, besiegt und brachte ihn in seine Abhängigkeit. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Besiedlung der Lausitz durch die Deutschen.
Aus diesen Informationen ist zu schließen, dass beide Ereignisse gar nichts mit der Gründung der Stadt Bautzen an sich zu tun haben. Welche Motive standen nun hinter den jeweiligen Tausendjahrfeiern? Als erster Gedanke für 1933 könnte sich die „Machtergreifung“ der Nazis aufdrängen. Hitler, der alles Deutsche in den Vordergrund rücken wollte. Aber ganz so einfach ist es nicht. Erinnern wir uns. Hitler wurde im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt. Quellen belegen aber, dass seit Oktober 1932 die Planungen für die Tausendjahrfeiern in der gesamten Lausitz, in vollem Gange waren. In der Stadt Zittau zum Beispiel, gelegen am südöstlichen Zipfel der Lausitz, entwarf der Verkehrsverein, verantwortlich für Fragen des Tourismus, dieses große Fest für seine eigene Stadt. Das Bedürfnis war groß, die Lausitz und ihre Städte im gesamten Deutschen Reich bekannt zu machen. Infiziert war die ganze Region, es ging also nicht nur um die Stadt Bautzen. Das Ereignis 932, der Beginn der deutschen Besiedlung, sollte zum globalen Jubelfest der Deutschen in der Lausitz werden. Städte wie Zittau, Kamenz, Löbau und Bautzen feierten.
Doch was bewog die Bautzener im Jahr 2002 erneut zu feiern? Wahrscheinlich spielte der Wille, die Geschichte der Stadt wieder zu normalisieren, zu entdämonisieren, eine tragende Rolle. Denn leider hat sich lange nach der Tausendjahrfeier 1933, zu Zeiten des real existierenden Sozialismus auf Bautzener Boden Unrecht ereignet. Der berüchtigte Stasi-Knast Bautzen II, der geheim in einem für die Bevölkerung nicht sichtbaren Riegel des Justizgebäudes der Stadt untergebracht war, hat den Ruf der Stadt bis in die heutige Zeit schwer geschädigt. Erst das NS-Regime, dann die Diktatur der Arbeiter und Bauern. Harter Tobak für eine Stadt, die so viel geschichtlich und kulturell Besonderes, wie z. B. die Sorben als slawische Minderheit (siehe Milzener) und städtebaulich Schönes vorzuweisen hat. Wie geht man in Bautzen damit um? Man veranstaltet eine zweite Tausendjahrfeier unter demokratischen Verhältnissen und hofft, dass die Menschen die Zeichen diesmal im guten Sinne der Geschichte deuten.
Letztendlich bleibt eine Gemeinsamkeit: beide Feiern führen uns auf kriegerische Umstände zurück. Vielleicht wird ein drittes Mal gefeiert? Dann könnte die kommende Tausendjahrfeier auf ein friedliebendes Ereignis Bezug nehmen. Da ließe sich bestimmt mehr als eines finden.
Text: © Solveig Böhl, 2013